Um es gleich vorweg zu nehmen: Drauflos basteln und dann beim TÜV mit dem bekannten
(Link: Youtube) „Wurstblinker”
aufzuschlagen, ist kein so guter Plan. Es ist weit besser, sich das Wohlwollen der Sicherheitsbeauftragten durch vorherige Absprache zu sichern.
Wird das richtig angegangen, ist viel, wenn auch nicht alles drin.
Ich habe es jedenfalls noch nie erlebt, dass meine Umbaupläne rundweg abgelehnt wurden - auch wenn es zuweilen sehr spaßige Situationen gab.
Alles in allem habe ich die Mitarbeiter von TÜV und Zulassungsstelle fast stets als wirklich hilfsbereit erlebt. Eine wichtige
Bedingung ist natürlich der nötige Sachverstand auf beiden Seiten - ohne den geht nichts.
Hier folgt unsere Geschichte ab 2014.
Abschnitte dieser Seite:
Der für uns zuständige und nächste TÜV ist am Rebstockgelände in Frankfurt. Nachdem die Bedingungen und Pläne für den
Umbau einer Victoria KR26 mit einem Starrheck soweit gediehen waren, rief ich
dort also an und schilderte mein Anliegen - die Erforschung der Bedingungen. Nach einigem Zögern wurde mir beschieden,
da müsse ich mit Herrn X sprechen - er sei der „Experte” für derlei Fragen. Ich vereinbare frohgemut einen Termin.
Meine Tochter und ich schlagen also zum Termin auf, bewaffnet mit Ausdrucken, Skizzen und derlei, und tragen Herrn X unser Begehr vor.
Der schaut ratlos und fragt schließlich: „Ja, hat es das denn original so gegeben?
”. Ich: „Nein, das hat es nicht. Deswegen
sind wir ja hier.
”. Er darauf: „Dann können Sie das vergessen - da ist nichts zu machen.
”.
Ich staune über die knackige Antwort und frage höflich, warum denn eigentlich. Das weiß er auch nicht so recht, daher muss ein Umweg her.
„Äh, da brauchen Sie ja zum Beispiel ein Brems– und ein Wiegegutachten.
”. Ich: „Ja und?
”. Er, sichtlich unwohl:
„Das kostet Sie mindestens 1.000 €!
”. Kurzes Nachdenken.
Dann kam das Highlight des Gesprächs. „Außerdem, ist Ihnen eigentlich klar, dass das Motorrad für so
eine Abnahme fahrbereit sein muss?
”.
Jetzt war der Punkt gekommen, wo meine Tochter und ich uns erstaunt und mit hochgezogenen Augenbrauen ansahen
(Symbol: zwinkern). Das war der „Experte”? Ich zwang mich zur Ruhe und meinte freundlich, dass sei
ja wohl bei jeder TÜV–Abnahme eines Fahrzeugs so. Ob er denn nun bereit sei, sich damit zu befassen?
Damit hatte ich ihn beim Wickel. Er druckste noch herum, sprach dann jedoch: „Nein, dafür sind wir nicht eingerichtet.
”. Wie bitte?!
Es blieb uns wohl nicht anderes übrig, als unverrichteter Dinge abzuziehen. Kurz davor kam ihm die rettende Idee.
„Beim TÜV in Kalbach gibt es den Herrn L., der kennt sich mit sowas aus.
”.
Wir gingen also ziemlich frustriert. Wo waren alle die netten Leute früherer Jahre geblieben? Denn ich habe schon viel um– und
selbst gebaut, und das war nie ein Thema.
Erwähnte ich schon, dass meine Tochter sehr cool ist? Wir waren noch kaum zuhause, da befahl sie:
„Du rufst jetzt sofort den Herrn L. an.
”.
Okay, okay, ich lasse mich also von der Zentrale in Kassel verbinden (wofür gibt es da eigentlich eine
Durchwahl?). Herr L. hat keine Zeit mehr wegen eines Termins, verspricht jedoch einen Rückruf. Wir fühlen uns unsicher.
Aber siehe da, am nächsten Tag klingelt das Telefon. Ich schildere mein Begehr. Herr L. stellt ganz andere Fragen. Es sei in erster
Linie eine rechtliche Frage, das Technische traue er mir schon zu. Zwei Bedingungen: Es muss überlappende Baujahre der Rahmen mit
Starrheck und Geradwegfederung hinten geben, und eine Eintragung sei nur für den ausschließlichen Gespann–Betrieb möglich
(Harley sei's gedankt). Ich solle ihm alle Informationen als Dokument senden und mich zwei Wochen
wegen der nötigen Recherchen gedulden.
Ich bin hocherfreut und zeige der beisitzenden Tochter den erhobenen Daumen. Etwas schüchtern frage ich nach den zu erwartenden Kosten.
Der Mann denkt kurz nach. „So zwei Stunden wird das schon dauern, plus Abnahme. Zum Glück ist das kein Golf 5 - da macht's wenigstens
noch Spaß. Gehen Sie von etwa 160 bis 170 Euro aus.
”.
Ich stammele mein Dankeschön, lege auf und falle der Tochter um den Hals. Die strahlt auch, als sie das hört.
In den nächsten Tagen erstellte ich ein sehr schickes Dokument, das ich am Ende in ein PDF umwandelte. Da wird wie gewünscht
das Vorhaben genau beschrieben, dazu gibt es Abbildungen (beispielsweise aus den Ersatzteillisten und Bedienungsanleitungen), Belege für die
überlappenden Baujahre, Fotos von Typenschildern und alle wichtigen Informationen.
Das schickte ich dann an den nun echten Fachmann. Der hatte schon gesagt, ich könne ihm die Teile gerne vorab zeigen (worauf ich gern verzichtete).
Diese Wartezeit war übel. Die Tochter war zuversichtlich: „Das klappt bestimmt.
”. Und Tatsache: Zwei Wochen später klingelt das Telefon.
Der Prüfer hat noch ein paar Fragen. Als diese zufriedenstellend beantwortet sind, berichtet er, dass er sich die „Allgemeine Betriebserlaubnis”
für die Typen beschafft habe, und rechtlich gäbe es keinerlei Einwände.
Anscheinend war auch unser Dokument überzeugend, denn er sprach wörtlich: „Insgesamt stehe ich Ihrem Vorhaben sehr wohlwollend gegenüber.
Machen Sie bitte mit meinem Vorgesetzen einen Termin aus
”.
Zufällig war auch da die Tochter nahe beim Telefon. Whoa! Alle unsere hier beschriebenen Umbauten waren in dem Dokument aufgeführt. Und alles
kein Thema? Da fielen uns doch etliche Steine vom Herzen.
Anfang August 2014, direkt nach dem Treffen in Bad Dürkheim, war es dann soweit. Ich fuhr (wieder mit Tochter) mit einem eher mulmigen
Gefühl 'raus nach Kalbach. Da stand der Prüfer schon im Hof - kein Wunder, unser Gespann ist bequem aus 500 m
Entfernung zu hören.
Während ich unsicher war, strahlte meine Tochter Zuversicht aus. Als die Hupe erst nicht wollte, besprach sie den Knopf so lange, bis es „piep”
machte. Wie stets fragte ich den Mann vor der Probefahrt, ob er Gespann fahren könne (denn da habe ich schon böse Dinge erlebt). Er versicherte
glaubhaft, das im Griff zu haben. Ich startete die Victoria und ließ ihn fahren. Nach etwa drei Minuten kam er zurück.
Die Spannung erreichte den Höhepunkt. Nachdem Herr L. den Helm abgenommen hatte, war der erste Kommentar: „Für das Alter von 60 Jahren
sind die Bremsen sensationell.
”. Dann lud er uns zur Besprechung von Details in's Büro ein. Meine Tochter und
ich schauten uns ungläubig an - keine Einwände...?
Nachdem wir die Gewichte ausdiskutiert hatten, schickte er uns heim. Wir sollten ein neues Typenschild
schlagen, ein Foto machen, es ihm per E-Mail senden und nachmittags wiederkommen, um die Papiere abzuholen.
Draußen auf dem Parkplatz fielen wir uns in die Arme. Keine vier Monate Arbeit und ein glatter Durchmarsch! Wir taten also wie geheißen,
schickten das Bild und holten dann die Papiere ab. Das Gespann hatte eine Einzelabnahme bekommen. Das bedeutet, jeder, der das so wie wir macht,
kann auf Basis dieses Gutachtens genau so ein Motorrad abnehmen lassen.
Früher konnte ein Fahrzeug zuerst beim Kraftfahrzeug–Bundesamt „aufgeboten” werden, um sicherzustellen, dass es nicht gestohlen ist,
wenn es keinen Kraftfahrzeugbrief mehr gibt. Das ist nicht mehr so. Jetzt braucht es zunächst eine Abnahme beim TÜV, und
dann erst wird der Prozess angestoßen. Der dauert gut drei Wochen.
Das ist ziemlich frustrierend - wäre der Rahmen wirklich als gestohlen gemeldet, müsste ein anderer her und eingebaut werden - Horror!
Das fürchteten wir hier weniger. Aber es ist nicht ganz okay, ein nicht versichertes Kraftfahrzeug auf der Straße stehen zu lassen. Also
brachten wir am Seitenwagen einen Zettel mit dem zu erwartenden Zulassungsdatum an, was auch ohne „Knollen” klappte.
Am 22. August 2014 war es dann soweit - genauer, noch nicht ganz. Tipp: Lasst beim TÜV gleich eine Identitätsprüfung ausstellen -
da kostet das nichts, aber bei der Zulassungsstelle. Das nächste Problem war das benötigte Leichtkraftrad–Kennzeichen. Das wurde damals
in Hessen nur bis 125 cm³ Hubraum vergeben, aber nicht mehr für
250 cm³.
Die Diskussion darum zog sich immer höher nach oben bis zur Leitung. Schließlich wurde - sehr gut - beschlossen, dass es sich hier um einen
Fehler der Gesetzgeber handele und (um gute 40,- €) eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Erwähnte ich schon das Entgegenkommen der Behörden?
Drei Stunden später und um sehr viel Geld ärmer verließ ich die Zulassungsstelle mit einem gestempelten Kennzeichen. Die letzte Sachbearbeiterin
meinte zu mir, sie habe noch nie eine so hohe Rechnung für eine Zulassung gesehen (das waren in der Summe über 300,- €). Der Platz auf
dem Kraftfahrzeugschein reichte nicht aus: Er bekam eine zusätzliche Seite (Symbol: lachen).
So schnell kann das gehen - schon war unser Victoria–Gespann zwei Jahre im Einsatz (genau genommen, etwas mehr).
Der famose Herr L., erfuhr ich beim Versuch einer Terminvereinbarung für den ersten regulären TÜV–Termin 2016,
sei nicht mehr im Außendienst. Wir hatten Glück und fanden einen mindestens ebenso verständigen Prüfer, der sich von den
Umbauten und Verbesserungen sehr angetan zeigte (und beeindruckt von der Story der
Elba–Reise).
Wie auch immer, auch diesmal war das ein glatter Durchmarsch ohne jeden Kummer. Ganz richtig wurde im Prüfbericht eingetragen, dass
der Vorderradreifen demnächst erneuert werden sollte (was uns selbst klar war). Die Sachlage bei
Tagfahrleuchten an Motorrädern war dem Prüfer nicht bekannt
(es ist auch schwierig genug, die zu ermitteln). Er glaubte mir jedoch sofort, als ich die entsprechenden Regelungen herbetete.
Überrascht zeigte er sich, als ich ihm erklärte, dass der Motor nicht die Umwelt verpesten müsse, um die Beleuchtungseinrichtungen zu prüfen.
Oh sweet memories … Das TÜV–Gelände in Bad Homburg sah 2016 noch kaum anders aus als 1988, und
genau da war 'mal ein Prüfer mit Boot in der Luft ungebremst in einen Maschendrahtzaun gerasselt. „Unser” Ingenieur stellte sich da
geschickter an und war schnell von den Bremsen überzeugt. Auf eine Show–Einlage von mir verzichtete er.
Kurzum, trotz eigener Bedenken gab es die begehrte Plakette sofort. Ach, und das ist natürlich pillepalle - aber eine rosa Plakette
hätten wir nicht ganz so schick gefunden. Grün ist okay (Symbol: zwinkern).
Das Gelände in Bad Homburg wurde 2018 von Grund auf erneuert und modernisiert. Ab Juni 2018 durfte und konnte ich das Gespann nicht
mehr selbst fahren. Volker war so nett und fuhr Mann und Motorrad mit dem Hänger dahin.
Das war eine eigene Seite wert: TÜV mit Showeinlage.
Volker lieferte sowohl hier wie dort zwei astreine Stunts (Männer ohne Nerven eben …).
Zwar wollte die rechte Tagfahrleuchte nicht - das ist jedoch kein Mangel, eine reicht, um in diesem Fall die Vorschriften zu erfüllen.
Wie stets empfiehlt es sich, den Prüfer des Vertrauens vorab über Änderungen zu informieren, in diesem Fall die
zweite Rückleuchte am Beiwagen - in gleicher Höhe wie beim Motorrad und funktionsgleich,
also mit Rück– und (jetzt zweiter) Bremsleuchte. Das gefiel!
Der Kelch doofer Plakettenfarben ging wieder an uns vorüber - 2020 wird's dann wieder braun geben wie bei der Erstabnahme 2014.