Ein Motorrad mit Seitenwagen ist kein „normales” Motorrad mehr. Der einfache Grund: Der Fahrer kann in Kurven die Fliehkraft
nicht mehr ausgleichen, weil (außer bei den seltenen Schwenker–Gespannen) das Motorrad nicht mehr entgegengesetzt geneigt werden kann.
Gespannfahren kann gefährlich sein. Wer keine Erfahrung hat, sollte sich genug Fahrpraxis aneignen. Einige 1.000 km
Strecke sollten es schon sein! Fahrer müssen oft vom Verstand gesteuerte Entscheidungen treffen, die dem Instinkt widersprechen.
In diesem Bereich finden sich nützliche Hinweise zur Einstellung des Fahrwerks, der
Stabilität, dem Fahrverhalten und den Bremsen.
Zusatzseiten aus dem Logbuch:
Abschnitte dieser Seite:
Bemühen wir 'mal ein bisschen Mathe. Uns interessiert, wie groß in einer typischen Linkskurve bei voll besetztem Gespann und
einer mittleren Geschwindigkeit die Fliehkraft ist. Die einfachste Formel hierfür lautet
F =
m × v² ÷ r.
Hierbei sind „F” die Fliehkraft in Newton (N), „m” die Masse in Kilogramm (kg), „v” die Geschwindigkeit in Meter
pro Sekunde (m/s) und „r” der Radius der Kreisbahn in Meter (m).
Als Werte für unser Beispiel nehmen wir 365 kg, 35 km/h
(9,72 m/s) und 50 m Radius. Das ist noch ein
sehr harmloses Beispiel.
Die Formel lautet also F = 365 × 94,48 ÷ 50.
F beträgt also 689,7 N.
Nehmen wir weiter an, dass alle drei Räder gleich stark belastet sind (was so nicht stimmt). An jedem Rad „zerren” unten also
230 N. Die 19"–Räder haben rund 65 cm
Durchmesser, also 32,5 cm Radius. Beim (breiteren) Seitenwagenreifen mit
18" ist es kaum weniger. Wir wollen jetzt wissen, wieviel Newton an den Achshalterungen wirken.
Der Abstand von der Radmitte bis dahin beträgt vorne 7 cm, hinten
12 cm und am Seitenwagen (einseitig) 7,5 cm.
Machen wir's nicht so spannend.
Vorderrad | Hebel 4,46 | 1.025,8 N |
---|---|---|
Seitenwagenrad | Hebel 4,27 | 982,1 N |
Hinterrad | Hebel 2,70 | 621,0 N |
Selbst beim beidseitig gelagerten Vorder– und Hinterrad ergeben sich je Achsaufnahme noch beeindruckende Werte. Ganz „hart”
wird es jedoch beim einseitig gelagerten Beiwagenrad, zumal das in Linkskurven am stärksten belastet wird.
Nicht nur Räder und Achsfäuste sind, wie sich gezeigt hat, viel höher belastet als bei einem Solo–Motorrad. Beim Betrieb mit
Seitenwagen werden auch bei zwei Diagonalstreben der Motorradrahmen und die unteren Gespannanschlüsse sehr hohen Kräften ausgesetzt.
Es empfiehlt sich daher, dem Gespann Hilfe zu leisten. In Linkskurven ist das noch vergleichsweise einfach (siehe erstes
Bild der Seite). Sobald es beherzter zur Sache geht, sollte sich der Fahrer möglichst weit links und unten an den Lenker
„hängen” und nur mit dem rechten Bein über dem Sattel.
Analog dazu macht es Sinn, wenn sich der Passagier in Rechtskurven mit möglichst viel Gewicht auf der rechten Armlehne
abstützt und der Fahrer ebenfalls weit nach rechts „ausschwenkt”. Der beste Tipp ist jedoch eine moderate Fahrweise.
Extreme Beispiele dieses Turnsports sind bei Vintage–Seitenwagenrennen zu sehen, so hier beispielsweise auf
(Link zu Youtube)
YouTube.
Mit dem alten Gespann in der letzten Ausführung wurden jedenfalls einige tausend Kilometer ohne Schäden am Fahrwerk
abgespult, und das neue hatte nach neun Monaten auch schon 1.000 km
auf dem Kilometerzähler.