2017-05-01
Wer ein altes Motorrad nicht nur original wieder aufbaut, sondern dabei eigene Ideen verwirklicht, kommt bald um die Frage der Gestaltung
nicht herum. Besonders deutlich wird das im Bereich Café Racer, es gilt jedoch ebenso für andere Umbauten und
Änderungen. Was führt dazu, dass der Betrachter sich beeindruckt zeigt? Warum wirkt eines gut und das andere weniger? Relativ klar ist
wohl, dass das Ergebnis stimmig wirken muss.
Das alleine ist es jedoch noch nicht. Gutes Design wird zahlreiche Aspekte berücksichtigen müssen, so
Funktion, Ergonomie, Optik und Stil. Der Schrauber muss dabei teils erheblichen Mehraufwand und teils auch Fehlversuche in Kauf nehmen.
Der billigste und einfachste Weg ist eben oft nicht der beste, wenn auch die Versuchung groß ist.
Nachdem wir uns schon viele, viele Stunden mit dem Thema beschäftigt haben, theoretisch und praktisch, möchten wir ein paar unserer
Überlegungen dazu teilen.
Abschnitte dieser Seite:
Wenn es sich um deutliche Umbauten und Änderungen dreht wie bei uns, führt an einem grundsätzlichen Konzept und
Style Guide kein Weg vorbei. Bei den „Basics” darf nichts falsch
gemacht werden, sonst wird es später sehr schwer. Anders ist das bei Details. Da tut's oft
eine temporäre Lösung (wenn's überhaupt eine braucht), und die ist allemal besser als ein mit viel Aufwand verbundener Schnellschuss,
der später doch nicht taugt.
Das Pflichtenheft für die Gestaltung gibt die Grundregeln vor, beispielsweise bei Farben (oder nicht) und Materialien. Wurde das
für gut befunden, ist es sinnvoll, sich da auch genau dran zu halten, denn schon kleine Abweichungen fallen unangenehm auf.
Das Zauberwort lautet „Konsequenz”. Das zweite Zauberwort heißt Geduld. Oft vergeht viel mehr Zeit über der Planung und dem
Vergleich der Optionen als bei der späteren Umsetzung, die sich (eben bei sorgfältiger Planung) oft als einfacher herausstellt
als zunächst befürchtet.
Das erste Bild des Abschnitt zeigt ein gutes Beispiel. Welcher der drei Schalter passt am besten zu einem Veteranen–Fahrzeug und in
einen mit Walnuss–Wurzelholz furnierten Instrumententräger? Keine Frage, der Zugschalter in der Mitte mit dem verchromten Knopf. Das ist nicht
nur eine Frage der Optik, sondern eben auch der Funktion (der Schalter selbst ist aus Messing und Salzwasser–fest, da er aus dem
Schiffszubehör stammt) und der Haptik. Wirkt er bei der Betätigung stabil und Vertrauen erweckend? Ist das eine langfristige Lösung?
Kurz, zuweilen müssen die Alternativen erst selbst erlebt werden, bevor eine Entscheidung getroffen wird.
Mein Freund Martin Hauenstein, der bekannte Designer, meint zum Thema: „Design ist, wenn es gut funktioniert,
gut aussieht und außerdem noch Freude macht.
”. Damit folgt er dem bekannten Motto „Form follows function”.
Andere Gestalter hatten da andere Vorstellungen. So ist der bekannte Motorradkonstrukteur Richard Küchen teils dafür bekannt,
die Form vor die Funktion gestellt zu haben. Frotzelnd textete die Gemeinde: „Küchen–Konstruktionen kennen keine Kühlung.
”.
Der Titel dieser Seite (Zufriedenheit durch Design) wurde übrigens von meinem Freund Toshen Golias
geprägt und ist auch der seiner (Link: fremde Seite)
Website. Er sieht das also ähnlich wie Martin.
Ich füge hinzu: Weniger ist mehr, Konsequenz ist wichtig, Linien und Proportionen müssen stimmen.
Einzelne Ausnahmen können dabei gefällige Akzente setzen und teils auch ein Schmunzeln beim Betrachter hervorrufen. So ist es zum Beispiel
zumindest ungewöhnlich, einem Veteranen–Motorrad einen Instrumententräger mit Walnuss–Wurzelholz–Furnier zu spendieren.
Andererseits ist das eine Hommage an wundervolle Automobile, bevorzugt britischer Herkunft, und ein Symbol für Klassik.
Wenn so etwas jedoch gemacht wird, muss es in sich auch wieder stimmig sein und ansonsten so angepasst wie möglich an den Rest,
damit so ein Extra nicht als Fremdkörper empfunden wird.
Ob nun Six Days–Ausführung, Bobber, Café Racer oder sonst
ein Umbau: Wenn es euch glückt, einen eigenen und konsequenten Stil zu entwickeln, seid ihr fein 'raus. Die folgenden zwei Bilder
zeigen den Betonklotz als Ausgangsbasis (151 kg) und unsere Victoria
(130 kg) beim Bau.
Richtig deutlich wird der Unterschied, wenn es zu Treffen geht. Da stehen dann oft top-restaurierte Motorräder, denen es jedoch an Eleganz,
Proportionen und/oder individueller Ausstrahlung fehlt. Und natürlich ist der Wiedererkennungseffekt hoch. Ich bin kürzlich schon mehrfach von
Passanten auf unser altes Gespann angesprochen worden, das immerhin schon 1993 (!) von der Straße verschwunden ist.
Achtet auf individuelle Details! Gute Beispiele sind die Skala des Voltmeters oder
der tiefer gelegte Einzelsattel mit stehenden Federn (hier eher aus der Not geboren), der nun
mit dem Gepäckträger fluchtet.
Ende 2017 stolperte ich im Horex–Forum über einen Scrambler, den Michael aus einer Regina 250 gebaut hatte,
also in derselben Liga. Hocherfreut stellte ich fest, dass er genau die gleichen Überlegungen zu Technik und Optik angestellt hatte
wie wir. In der Tat sehen sich unsere Motorräder verblüffend ähnlich, auch wenn seins „taktvoller” und zwangsläufig hochbeiniger ist.
Michaels Beispiel zeigte mir gleich noch auf, wo wir gemurkst haben. Zu unserer Farbgestaltung passt natürlich Graphit-Hitzeschutzband
weit besser als das bronzefarbene aus Titan. Bei den Kotflügeln müssen wir Kompromisse machen, vor allem vorne, weil ich ja oft auch bei
Regen unterwegs bin. Dennoch: Wer die beiden Motorräder nebeneinander sähe, könnte leicht meinen, dass sie aus derselben Schmiede stammen.