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Reisen mit der Victoria

Reisen? Ja klar! Sobald der Deutsche eine Vespa, einen Käfer oder gar ein richtiges Motorrad hat, zieht es ihn unweigerlich über den Gotthard, Brenner oder San Bernardino nach Süden, je nachdem, wo die Heimat ist. Schon in den 1950er Jahren war aber klar: Es muss „Bella Italia” sein.

Reisen. Wer hat sich dieses Wort schon einmal auf der Zunge zergehen lassen? Reisen? Richtig! Das muss nicht Tempo 200 auf der Autobahn oder im ICE bedeuten, das kann durchaus auch Landstraße mit Tempo 60 sein und eventuell auch weniger. Wer so alt ist wie der Autor, wird sich vielleicht daran erinnern, dass es in Anfang der 1960er Jahre überhaupt noch keine Autobahnen in der Schweiz gab.

Dass es sie heute gibt, heißt jedoch nicht, dass es die alten Straßen nicht mehr gibt. Und ja, sie versprühen auch heute noch den Charme der Vergangenheit. Selbst das Kopfsteinpflaster früherer Jahre ist zuweilen noch erhalten.

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Der Gotthardpass

Ihr wollt nicht wirklich die 16,9 Kilometer durch den Straßentunnel fahren, jedenfalls nicht mit alten Motorrädern. Wir mussten das aus Zeitgründen einmal machen, und das war nicht lustig.

Über den Pass zu fahren, ist jedoch immer ein Erlebnis. Auch wenn ich mit Auto und Vignette unterwegs bin - in Göschenen zweige ich von der Autobahn ab und auf die Landstraße, und zurück in Airolo (wenn ich nicht sowieso die Landstraße bevorzuge).

1989 auf dem Weg nach Elba - der Gotthardpass in Wolken.
[ ± ]. Auf der Aussichtsplattform.

So schön es oben am Pass sein kann (und oft auch im Herbst noch ist): Gelegentlich gibt es Überraschungen. Auf dem Weg nach Elba 1989 war der Himmel voller Wolken, und das auf der Südseite. 1991 auf dem Weg nach Sardinien kam's noch viel dicker - da lagen gut drei Meter Schnee. Die Straße war geräumt, aber durch das dichte Schneegestöber war die Sicht sehr eingeschränkt. Prompt verschwand ein Mitfahrer, dem die Orientierung verloren gegangen war. Zum Glück fand er sich wieder an (Symbol: grinsen).

Der (Link zur Wikipedia) Gotthardpass liegt auf 2.106 m Höhe. Da wird der Sauerstoff schon knapp, und das ist besonders bei den schwachbrüstigen Zwei­taktern deutlich zu spüren. Jedes Mal außer 2016 ging mir kurz vor dem Pass der Kolben fest. Dünne Luft und Steigungen bis gut 12 % bieten nun 'mal keine Fahrtwindkühlung, wenn das Gespann voll beladen ist.

Dank originaler Kolben von Nüral oder Mahle war das jedoch nie ein Problem - zehn Minuten warten, und weiter geht's.

 

Mehr erleben

Eines ist sicher. Die ruhige Gangart mit hinreichend Pausen sorgt dafür, dass genug erlebt wird. Das harmloseste sind dabei noch Gespräche, in die der Veteranenfreund verwickelt wird.

Selbst der Italiener, der nun wirklich genug interessante Fahrzeuge im eigenen Land sieht, ist oft erstaunt, gleich einen ganzen Pulk von deutschen Oldtimer–Motorrädern zu sehen. Und bei unseren Reisen war durchaus sehenswertes dabei: Eine DKW SB 200 von 1937, eine nach dem Krieg gefertigte Zündapp DB 200 mit Trapezgabel (und ebenfalls Tankschaltung, 1937er Modell), eine BMW 25/3 und R27, eine Vespa GS3, eine BSA A10 Gold Star, eine Moto Morini 3½, eine DKW RT 200 (unsere Zweitjüngste, von 1955) - und drei Victorias (das sind noch nicht alle).

Doch das ist nur die eine Seite. Pleiten, Pech und Pannen sind eine weitere, mit Highlights wie geplatzten Reifen, dem mitten in der Nacht und bei Eiseskälte gerissenen Gaszug der Vespa, gerissenen Speichen, einem kapitalen Motorschaden oder einem Muskelfaser–Riss.

Eine weitere Komponente lässt sich schwer beschreiben. Das sind die vielen kleinen und größeren Abenteuer, über die sich im Nachhinein prima lachen lässt, die jedoch zunächst oft nicht ganz so witzig sind (Symbol: zwinkern).

Genau davon wollen wir in diesem Bereich erzählen, bevor diese Geschichten in Vergessenheit geraten. Mein Tipp: Wer sein Motorrad gut vorbereitet und eine ADAC Plus–Mitgliedschaft hat, kann mit anderen zusammen ohne größere Risiken solche Reisen durchführen.

Wichtig sind genug Werkzeug, ein paar Ersatzteile und eine vernünftige Routenplanung sowie Zeiteinteilung. Übrigens - das klappte damals auch ohne Smartphones oder Navi.

 

Der Landstraßenverlust

Auf deutschen Straßen hat sich seit 1988 bis 1993 viel geändert. Damals gab es noch Kurven und Abwechslung. Viele der früheren Bundesstraßen sind inzwischen begradigt, ein– oder zweispurig ausgebaut worden und sind kaum noch von Autobahnen zu unterscheiden. Der Autofahrer möchte schnell von A nach B, und das möglichst mit Tempo 100 oder auch gerne mehr. Dazu kommt noch der „Kreiselwahn”, der unglaublich ausbremst.

Ein Veteranenfahrzeug wie das unsere wird da gerne zum mit der Hupe gemahnten und riskant überholten Hindernis. Tempo 60? Das geht ja wohl 'mal gar nicht.

Verschämt benutzt der Oldtimer–Fahrer GoogleMaps, um eine Route jenseits der Rennpisten zu finden - wobei gerne auch größere Umwege in Kauf genommen werden. Hauptsache, es geht noch beschaulich zu, bevorzugt von Ort zu Ort auf Nebenstraßen.

Zwischen 1970 und 1990 wuchs das deutsche Straßennetz nur um 10.000 km. Nach der Wiedervereinigung waren es nur knapp 4.000 km. Dabei stellten die Autobahnen nur 1,8 %. Die Beschleunigung der bestehenden Bundes–, Kreis– und Landstraßen ist die logische Konsequenz.

 
 
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