Das Fahrwerk eines Motorradgespanns mit seinen drei Rädern ist eine besondere Situation. Der Seitenwagen ist in der Regel nicht angetrieben,
bei kleineren Gespannen nie. Daher neigt er dazu, das Motorrad nach der Seitenwagenseite hin zu ziehen (in Deutschland meist rechts).
Da lässt sich Abhilfe schaffen, aber das ist nicht der einzige Punkt. Wenn ein Gespann nicht richtig eingestellt ist, führen längere
Fahrten (mit oder ohne Passagier) gern zur schmerzhaften Bekanntschaft mit noch nie gekannten Muskeln, beispielsweise dem
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Trapezius.
Hier wird erklärt, wie diese Einstellung klappt. Radstand und Spurweite sind dabei willkürlich - andere Angaben gelten für alle Fahrzeuggrößen.
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Vorlauf und Vorspur.
Zunächst einmal: Der Beiwagenrahmen muss von rechts nach links im beidseitig belasteten Zustand so waagerecht wie möglich ausgerichtet sein.
Ferner: je tiefer er liegt, desto besser. In der Regel werden jedoch der Raddurchmesser und die Aufhängung des Rads die Höhe bestimmen -
sofern nicht ein kleineres Rad angebaut wird oder das Rad höher gelagert wird wie bei uns. 10 bis 16"
Durchmesser (das gilt immer für die Felge innen) sind bei Fall 1 besser als 18 oder 19" - der Abrollkomfort jedoch schlechter.
Der Vorlauf des Seitenwagenrads vor dem Hinterrad sollte 150 bis 200mm betragen, möglichst
nicht weniger als 150mm.
Als Vorspur wird das Zusammenlaufen der Räder bezeichnet. Bei Fahrzeugen mit vier Rädern wird das nur auf die Vorderräder
angewendet, bei Gespannen auf den Winkel zwischen Hinter– sowie Vorderrad und die Stellung des Seitenwagenrads.
Wie der Zeichnung (Maße in Millimeter) zu entnehmen ist, sollte der Vorspurwinkel gut 1° betragen, also bei einem
Radstand von 1.350mm etwa 20 bis 30mm.
Gemessen wird das am besten mit geraden Dachlatten, die an den Reifen ausgerichtet werden, wenn die Lenkung ganz gerade steht.
Trotz der beschriebenen Einstellungen wird das Motorrad meist immer noch die Neigung haben, besonders bei besetztem Seitenwagen
leicht in dessen Richtung zu ziehen (bei ebener Staße).
Hier kommt der erste knifflige Teil, oder, anders gesagt, die Kunst. Es gilt nämlich, das Motorrad ein ganz bisschen
vom Seitenwagen weg zu kippen, als ob es ganz minimal in eine Linkskurve gelegt sei (bei rechts angeschlagenen Wagen).
Diese Einstellung muss mit der Vorspur zusammenarbeiten und wird „Sturz” genannt. Je größer der
Vorspurwinkel ist, desto kleiner darf der Sturz ausfallen.
Bei 18– oder 19"–Rädern sollte dieser Sturz zwischen oberer und unterer Reifenflanke (gemessen am
Hinterrad) einen Unterschied von 4 bis 10mm ausmachen (auch wieder ein Grad, aber diese Angabe
ist kaum nutzbar).
Gemessen (für eine Grobeinstellung) wird das wie folgt. Es braucht eine Lotschnur (Zwirn tut's) mit einer schweren Mutter am Ende.
Diese Schnur wird an eine definierte Stelle des Hinterradreifens (Radius) oben gedrückt, und zwar so, dass die Mutter im freien Raum
kurz vor dem Boden pendeln kann. Am selben Radius wird dann die Differenz gemessen (wieder mit belastetem Motorrad und Seitenwagen).
Dazu muss das Dreirad natürlich eben stehen.
Das ist eine sehr sensible Einstellung. Zuviel Sturz kann bei belastetem Seitenwagen dazu führen, dass die Kiste besonders bergab
nach links ausbricht, zu wenig führt zu Kämpfen gegen den drohenden Straßengraben. Hier braucht es unbedingt ausgiebige Probefahrten.
Damit ist es leider oft noch nicht getan. Es geht, aber es geht nicht optimal. Der einfache Grund: Die Lenkkräfte sind bei einem
Motorrad–Gespann (englisch übrigens „rig”) erheblich viel größer als bei einem Solo–Motorrad. Bei ebener
und gerader Straße ist das kein Problem, aber zum Beispiel eine enge und rechts überhöhte Rechtskurve erfordert Kraft.
Das hat mehrere Gründe, unter anderem das höhere Gewicht und die Tatsache, dass sich ein Gespann nun 'mal nicht in die Kurve legen kann.
Ein klein wenig Abhilfe kann hier ein deutlich breiterer Lenker sein, beispielsweise mit effektiv 790
statt 680 mm Breite. Die einzig wirklich wirksame Maßnahme ist jedoch die Verkürzung des Nachlaufs (siehe
die Erklärung beim Bild). Als grobe Richtlinien sollten Gespanne nur halb so viel Nachlauf haben wie das betreffende Motorrad solo.
Für modernere Motorräder gibt es hier die Lösung einer Nachlaufverkürzung bei Beibehaltung einer Teleskopgabel, bei fast allen die
einer angepassten Schwingengabel (ideal mit einer einteiligen Langschwinge, was die seitliche
Verwindung deutlich mindert).
Zwar wird die Lenkung durch einen verkürzten Nachlauf erleichtert, ein Nachteil ist eventuell der etwas schlechtere Geradeauslauf. Besonders
für kleinere und leichtere Gespanne dürfte eine moderate Nachlaufverkürzung mit einem breiteren Lenker eine gute Wahl sein.
Je kleiner der Nachlauf ist, desto direkter und schneller reagiert das Gespann auf Lenkbewegungen.
Alles schön und gut. Nehmen wir an, das Gespann ist für Fahrten mit dem „typischen” Passagier gut eingestellt.
Der fährt aber nicht immer mit. Was ist zu tun? Es kann ja wohl kaum angehen, den Sturz (auf den kommt es vorwiegend an)
jedesmal neu einzustellen. Novizen wird gern der Tipp gegeben, statt Passagier zunächst einen gefüllten Wassersack oder
zwei in's Boot zu legen.
Auf der nächsten Seite zum Thema Stabilisierung folgen ein paar Tipps, die zwar
nicht für jedes Gespann anwendbar sind, jedoch ein paar Denkanstöße liefern.
Wie auf dem Foto zu erkennen ist, war sich Volker bei der ersten Probefahrt Ende April 2015 recht sicher, dass er
nichts zu befürchten hat. Jedenfalls sei er - so sagte er - noch nie vorher ein Gespann mit Boot in der Luft einhändig gefahren.
Lust auf acht Sekunden Video mit Sound von der Aktion? Kein Thema, das haben wir im Angebot bei
(Link zur YouTube)
YouTube.
Nachtrag: Beim Treffen der Victoria–IG 2015 in Miehlen fuhr Volker das Gespann während der
Ausfahrt. Meine Tochter hat aus dem Boot heraus ein längeres Video gefilmt, das es ebenfalls bei YouTube gibt:
(Link zu YouTube)
„Streckenfahrer jagen”. Da ist der Motorklang auch besser zu hören.