Ein Motorrad–Gespann mit Seitenwagen ist kein konventionelles Motorrad. Es kann (außer bei den seltenen Schwenker–Gespannen)
nicht in die Kurve gelegt werden, um der Fliehkraft entgegen zu wirken (siehe hierzu auch die Hinweise bei der
Übersicht des Bereichs).
Angenommen, der Seitenwagen ist rechts angeschlagen, droht in Rechtskurven Ungemach: Der Seitenwagen wird dazu neigen, sich
aufzurichten. In Linkskurven ist das geringere Übel, dass das Gespann nach rechts weghopst („stempeln”), das größere, dass es sich
über die Nase des Seitenwagens überschlägt, nachdem das Hinterrad abhebt.
Hier folgen ein paar Tipps für die Fahrpraxis.
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Beim 25jährigen Jubiläum der Treffen und der von mir 1988 gegründeten
(fremde Seite)
Victoria–IG
2013 war Klaus so nett, uns seine unrestaurierte KR26 mit einem konventionellen und ungebremsten Seitenwagen
zu leihen. Das war natürlich klasse, supernett und sehr vertrauensvoll! Immerhin war ich damals 20 Jahre lang kein Gespann mehr gefahren.
Hmhm … Das „Boot” des normalen LS200 ist schwingend gelagert und wird hinten in Gummiringen gefedert (aber nicht gedämpft).
Dazu gibt noch eine Geradwegfederung des Seitenwagenrads, ebenfalls ohne Dämpfung. Eine Bremse gibt's meist auch nicht.
Das Motorrad selbst hat eine eher veraltete Geradwegfederung hinten und vorne eine nicht ganz so tolle Teleskopgabel.
Kurz und knapp, Klaus fährt vorwiegend allein und merkt es weniger, aber diese Kombination ist mit Passagier eher unglücklich.
Deutlich wird das in zwei Situationen. Erstens in Rechtskurven: Da federt zunächst das Boot ein, anschließend das Seitenwagenrad aus,
dann kommt das Boot wieder hoch, und erst dann liegt das Gewicht von Seitenwagen und Passagier an. Das kann dauern, und daher stellt
sich kein sicheres Fahrgefühl ein. Gleichzeitig federt das Motorrad wegen der höheren Belastung ein.
Noch deutlicher wird es bergab. Zweitakt–Motore haben naturgemäß kaum Motorbremswirkung. Bergab zieht der Seitenwagen das Gespann nach
links. Der nötige Bremsvorgang erfordert Muskeln, um beim Bremsen gegenzusteuern - und das verschlimmert die Situation.
Das Boot kommt hoch? Panik ergreift den Fahrer, weil das Gespann unweigerlich der linken Straßenseite zusteuert. Schnell
weiter nach rechts lenken und bremsen!
Es kann keine falschere Reaktion geben. Richtig ist: vom Gas gehen, scharf nach links lenken, bis das Boot wieder unten ist,
und dann beherzt Gas geben und zurück nach rechts. Achtung: Das gilt nur für leichte und kleine Gespanne.
Gerade in dieser Situation zeigt sich, wie wichtig Erfahrung ist. Bei jedem TÜV–Besuch habe ich die Prüfer gefragt,
ob sie das im Griff haben. Leider zeigte sich einst in Bad Homburg - dort sind Prüfstelle und Hof sehr klein - dass es da
zuweilen Fehleinschätzungen gibt. Der Prüfer kam nicht einmal bis zur Ausfahrt und rasselte mit gehobenem Seitenwagen
volle Kanne in den Maschendrahtzaun zum Nachbargrundstück (zum Glück ohne größere Schäden an Mensch und Maschine).
In extremen Situationen kann es sogar zum Überschlag kommen - das hat der Verfasser sogar schon einmal erlebt, zum Glück
mit ganz glimpflichem Ausgang.
In Linkskurven (bei rechts angeschlagenem Seitenwagen) droht anderes Ungemach.
Wenn die Fliehkraft zu groß wird, „stempelt” (im günstigeren Fall) das Gespann zur Seite. Wenn es aber ganz dumm
kommt, kann es geschehen, dass das Gespann kippt (Hinterrad in der Luft) und sich im „worst case”
sogar über die Seitenwagen–Nase überschlägt. Bei so leichten Gespannen lohnt es sich daher, sich als Fahrer weit
nach links unten zu hängen. Dabei bleibt oft nur noch das Knie am Sattel.
Um solchen Übeln vorzubeugen, rechts oder links, sind erhebliche Fahrpraxis und eine gute Einstellung der
Fahrwerks–Geometrie nötig.
Wenn diese Punkte beachtet werden, ist die nötige Sicherheit machbar. Gespann fahren ist gefährlich und hat nichts mit
Motorrad– oder Autofahren zu tun! Wer damit anfängt, sollte sich genug Zeit für die Fahrpraxis nehmen.
1.000 km genügen da nicht.
Eine besonders gefährliche Zeit beginnt, wenn ihr euch mit eurem Gespann vertraut und darauf sicher fühlt - da sind sich
alle einig. Denn genau dann kommt es gerne zu Fehleinschätzungen und einer etwas zu riskanten Fahrweise oder zu neuen,
unerwarteten und kritischen Situationen. Merke: Eine vorrausschauende und defensive Fahrweise ist auch später absolut wichtig!
Auf YouTube® gibt es ein witziges, jedoch ausgezeichnet gemachtes
(Link: fremde Seite)
Video zum Thema „Gespanne fahren” (englisch).
Dreiräder sind bei Glatteis genauso gefährdet wie Autos mit vier Rädern, haben aber nur drei Räder als Auflage und wiegen weniger.
Wenn die Fliehkraft auf Glatteis zu groß wird, rutscht ein so kleines Gespann pfeilschnell zum äußeren Rand einer Kurve -
und das ist nicht lustig, weil der Fahrer praktisch ungeschützt auf dem „Moped” sitzt.
Der Verfasser ist bei der Auffahrt auf eine Bundesstraße schon einmal bei an sich nicht besonders kaltem Wetter in diese Situation gekommen.
Kurz vor dem Knie schlug links ein Pfosten in den Tank. Die Ursache waren eiskalte Winde an einer offenen Stelle.
Wer sich also im Winter auch Fahrspaß gönnen will, sollte es vorsichtig tun und vor allem mit einer wintertauglichen
Bereifung. Aktuell ist das Gespann vorne mit Metzeler Block C, am Seitenwagen mit einem
eher grobstolligen Mitas–Reifen 18×3,50" und hinten mit einem
„Avon Sidecar Triple Duty MkII”
bereift - das tut. Der Seitenwagenreifen muss sich jedoch erst noch etwas platter fahren.
Der Gespannreifen hinten ist zwar schmal, hat jedoch eine um ein Drittel breitere Auflagefläche als ein konventioneller Motorradreifen
vergleichbarer Größe. Das macht sich auch auf trockener Straße sehr angenehm bemerkbar, vor allem durch die deutlich bessere Bodenhaftung.